24.06.2021 | Blog 6 |

Persönliche Bedürfnisse – warum sie nicht zu kurz kommen sollten

| Geben Sie Ihren persönlichen Bedürfnissen genug Raum? Laut einer Studie von profilingvalues tun das die meisten Menschen nämlich nicht. Aufgrund gesellschaftlicher Konventionen, werden die eigenen Bedürfnisse oftmals hinten angestellt. Die Teilnehmer der genannten Studie erreichten dabei eine Aufmerksamkeit ihrer Bedürfnisse von 18 % (Vogel, 2011). Zur Verdeutlichung: eine ausbalancierte und gesunde Aufmerksamkeit liegt bei einem Wert von 50 % vor (Vogel, 2018).

Allerdings haben persönliche Bedürfnisse noch nie einen so großen Stellenwert eingenommen wie zur aktuellen Zeit. Viele Menschen sind mit Remote Arbeit, Kinderbetreuung oder dem Online Studium gestresst und überfordert. Die Trennung von Berufs- und Privatleben im eigenen Homeoffice gestaltet sich ebenfalls schwer. Gleichzeitig fällt es vielen nicht leicht persönliche Bedürfnisse in solchen Situationen überhaupt wahrzunehmen und diese auch zum Ausdruck zu bringen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: man fürchtet als egoistisch abgestempelt zu werden oder nimmt die eigenen Bedürfnisse in solchen Situationen als unangemessen war.

Die Ausprägung der Dimension “Persönliche Bedürfnisse”, ob stark oder schwach, ist nicht nur für die Person selbst relevant. Sie verrät anderen vieles über die Persönlichkeit des Menschen, über seine oder ihre Umgebung und wirkt sich auch auf die Arbeitswelt aus.

Wie wichtig es ist, in der aktuellen Situation den Ausgleich zu schaffen sowie persönliche Bedürfnisse ernst zu nehmen und warum persönliche Bedürfnisse eine Dimension des Hartman Value Profile darstellen, soll im folgenden Blogbeitrag näher beleuchtet werden.

 

Persönliche Bedürfnisse

Persönliche Bedürfnisse stellen die vierte Dimension innerhalb des Hartman Value Profile dar. Die Auswertung der eigenen Bedürfnisse zeigt dabei auf, wie deutlich ein:e Kandidat:in die eigene Individualität bzw. das innere Selbst erkennen kann (Können) (Vogel, 2018). Grundsätzlich handelt es sich dabei um das Selbstwertgefühl oder in Robert S. Hartmans Worten: um die Selbstachtung (Self-Esteem). Gleichzeitig wertet das HVP aus, inwiefern die Person ihre persönlichen Bedürfnisse aktuell berücksichtigt oder ignoriert (Wollen).
Hohe Werte weisen ein hohes Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein und Ich-Stärke auf. Andererseits können zu hohe Werte als egoistisch oder sogar narzisstisch interpretiert werden. Wiederum niedrige Werte geben ein geringes Selbstvertrauen, Unsicherheit und Unwohlsein preis. Durchschnittliche Werte sind hier eher von Vorteil als extreme Ausprägungen, denn sie geben ein ausgeglichenes Bild über den oder die Kandidat:in ab (Vogel, 2018).

Besonders interessant an dieser Dimension ist die Ausprägung der Aufmerksamkeit von persönlichen Bedürfnissen (Wollen). Nach Vogel stellen hohe Werte in dieser Dimension eher eine Ausnahme dar (Vogel, 2018). Einen Beleg dafür führt Vogel mithilfe der von profilingvalues veröffentlichten Studie im Jahre 2011 an (Vogel, 2011). Die über 1.800 Teilnehmer erreichten dabei lediglich Werte von rund 18 % (Vogel, 2011). Dies sind Werte, welche eine verminderte Aufmerksamkeit, teils auch ein Ignorieren der eigenen Bedürfnisse, bedeuten. Zum Vergleich: eine ausgewogene Aufmerksamkeit eigener Bedürfnisse würde normalerweise bei rund 50 % liegen.
Der Grund, warum Menschen weniger aufmerksam gegenüber ihren persönlichen Bedürfnissen sind, ist auf gesellschaftliche Konventionen zurückzuführen. Da gesellschaftliche Verpflichtungen, das Gemeinwohl und Solidarität in den Vordergrund gestellt werden, werden persönliche Bedürfnisse weniger beachtet.
Lediglich ein Sechstel der Teilnehmer erreicht in dieser Dimension mehr als 35 % (Vogel, 2018).

 

Welches sind die wichtigsten Bedürfnisse eines Menschen? – die Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow

Mit der Frage, welches die wesentlichen Bedürfnisse des Menschen sind, hatte sich Abraham Maslow 1943 in seinem Werk „A Theory of Human Motivation“ auseinandergesetzt. Seine bekannte Bedürfnispyramide stellt dabei die fünf wesentlichen Bedürfnisse des Menschen dar:

 

1. Physiologische Bedürfnisse

Physiologische Bedürfnisse stellen die essentiellen Bedürfnisse des Menschen dar, die er oder sie zum Überleben benötigt. Dies wären zum Beispiel Luft, Nahrung, Wasser, Sicherheit oder Schlaf (Sadri & Bowen, 2011). In der Berufswelt fallen unter solche physiologischen Bedürfnisse das Gehalt, Boni oder die Altersvorsorge, welche die wesentlichen Bedürfnisse – Nahrung, Wasser und eine Unterkunft – garantieren (Sadri & Bowen, 2011). Aber auch eine angenehme Arbeitsumgebung oder eine gute Work-Life-Balance zählen zu dieser Kategorie, da sie zu Sicherheit und Ruhe beitragen (Sadri & Bowen, 2011).
Sobald diese Bedürfnisse zum Großteil abgedeckt sind, kann sich ein Individuum der zweiten Ebene, dem Sicherheitsbedürfnis, widmen.

 

2. Sicherheitsbedürfnisse

Sich sicher vor Gefahren, wie z.B. Krieg, Überfällen oder Naturkatastrophen zu fühlen, gehört ebenfalls zu den essentiellen Bedürfnissen des Menschen (Aruma & Hanachor, 2017). Innerhalb der Arbeitswelt können Sicherheitsbedürfnisse dahingehend erfüllt werden, indem für die Gesundheit der Angestellten gesorgt wird – physisch als auch psychisch – oder eine angenehme Arbeitsumgebung sichergestellt wird (Sadri & Bowen, 2011).
Ist dieses Bedürfnis befriedigt, können soziale Bedürfnisse angegangen werden.

 

3. Soziale Bedürfnisse

Unter sozialen Bedürfnissen sind solche zu verstehen, welche dem Individuum das Gefühl geben zu einer Gesellschaft dazuzugehören. Auch der Aspekt zu lieben und geliebt zu werden ist von entscheidender Bedeutung (Aruma & Hanachor, 2017). Soziale Kontakte, Liebe und Geborgenheit sind Bedürfnisse, die ein Mensch braucht, um sich sicher zu fühlen und zur Entwicklung einer Gesellschaft beizutragen (Aruma & Hanachor, 2017). Auch im Job sind soziale Bedürfnisse zufrieden zu stellen. Zusammenhalt und Zugehörigkeit im Team stellen dabei die wichtigsten Stichwörter dar (Sadri & Bowen, 2011).

 

4. Individualbedürfnisse

Sind die sozialen Bedürfnisse erfüllt und fühlt sich ein Individuum in seiner Umgebung wohl, so werden gewisse Individualbedürfnisse gesucht und gefordert. Diese äußern sich in Wertschätzung, Respekt, Ansehen oder Verantwortung von Mitmenschen (Sadri & Bowen, 2011). Gerade in der Arbeitswelt ist es wichtig, solche Individualbedürfnisse zu berücksichtigen. Fehlt es an Wertschätzung am Arbeitsplatz, so kann dies schnell zu Unzufriedenheit der Angestellten führen (Sadri & Bowen, 2011). Einen ebenso wichtigen Aspekt stellt das Erfolgserlebnis dar. Einen Sinn in der Arbeit zu sehen und gleichzeitig an der positiven Entwicklung des Unternehmens mitzuwirken, verstärkt das Gefühl am Erfolg des Unternehmens teilzuhaben (Sadri & Bowen, 2011).

 

5. Selbstverwirklichung

Selbstverwirklichung stellt die letzte und höchste zu erreichende Ebene innerhalb der Bedürfnispyramide von Abraham Maslow dar. Hierzu zählen beispielsweise die Entfaltung und Entwicklung eigener Talente, Potenziale, Kreativität und persönlicher Fähigkeiten (Aruma & Hanachor, 2017). Welche spezifische Form selbstverwirklichende Bedürfnisse annehmen können, hängt ganz allein vom Individuum selbst ab.
Im Job kann das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung beispielsweise durch zusätzliche Weiterbildungsmöglichkeiten oder ein bezahltes Sabbatjahr gestillt werden (Sadri & Bowen, 2011).

 

Warum es wichtig ist eigene Bedürfnisse in der Arbeitswelt wahrzunehmen und zu kommunizieren

Eigene Bedürfnisse selbst wahrnehmen und diese im Job kommunizieren kann mehrere Vorteile haben – sowohl für Arbeitgeber:innen als auch für Arbeitnehmer:innen.

Eine stärkere Aufmerksamkeit auf die eigenen Bedürfnisse zu haben, kann das Selbstwertgefühl stärken. Gleichzeitig fördert es Selbstbetrachtung und die eigene Selbsteinschätzung (Vogel, 2018). Dies kann gerade dann von Vorteil sein, wenn beispielsweise in einer stressigen Situation eine Person genau weiß, ob er oder sie das Bedürfnis verspürt Hilfe in Anspruch zu nehmen oder sich selbst dieser Situation gewachsen sieht.

Ein gesundes Selbstwertgefühl im Job zu besitzen, strahlt nicht nur eine innere Stabilität bzw. Belastbarkeit aus, sondern kann zwischenmenschliche Beziehungen zusätzlich stärken (Vogel, 2018). Beispielsweise können durch eine ausgeprägte Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse zusätzlich empathische Fähigkeiten freigesetzt werden. Denn wer mit sich selbst zufrieden ist, kann anderen eine große Stütze sein und ihnen auch zur Zufriedenheit verhelfen.

Das Einfordern der Erfüllung der eigenen Bedürfnisse wertet ebenfalls die Kommunikation zum Gegenüber auf. Dadurch, dass Bedürfnisse gezielt und angemessen angesprochen werden, weiß beispielsweise ein Vorgesetzter, was seine Angestellten brauchen oder erwarten. Erwartungshaltungen konkret abzustecken fördert das Arbeitsklima und minimiert Missverständnisse oder Konfliktsituationen im Team. Werden Bedürfnisse von Vorgesetzten erkannt und auch erfüllt, tritt ein Gefühl der Wertschätzung auf, welches Motivation und Produktivität der Person steigert. Dies wiederum stärkt die Zugehörigkeit zum Unternehmen und verbessert die zwischenmenschlichen Beziehungen.

 

Fazit

Eigene Bedürfnisse spielen in der Arbeitswelt eine wichtige Rolle, vor allem wenn es um Jobzufriedenheit geht. Aber auch bei der Auswahl von neuen Angestellten sollte darauf geachtet werden, dass Kandidat:innen eine geschärfte Wahrnehmung zu ihren Bedürfnissen haben. Eine solche Wahrnehmung bringt Vorteile mit sich. Allen voran ein gesundes Selbstbewusstsein, eine gesteigerte Stabilität bzw. Belastbarkeit, sowie ein besseres Arbeitsklima. Eigene Bedürfnisse sollten stets kommuniziert werden, da sie in jeglichen Beziehungen und Situationen von Vorteil sein können. Es ist weder egoistisch noch unangebracht hin und wieder auch auf die eigenen Wünsche zu achten und diese zu priorisieren. 

 

Autorin: Dimitra Sismanidou, Juni 2021
Copyright: IAM Global GmbH

 

Literatur

Aruma, E. O., Hanachor, M. E. (2018). Abraham Maslow’s hierarchy of needs and assessment of needs in community development. International Journal of Development and Economic Sustainability 5(7), 15-27.

Maslow, A. H. (1943). A theory of human motivation. Psychological review, 50(4), 370.

Sadri, G., Bowen, R.C. (2011). Meeting employee requirements: Maslow’s hierarchy of needs is still a reliable guide to motivating stuff. Industrial Engineer 43(10), 44-48.

Vogel, U. (2011). Profiling Studie: Herrschende Werte und Einstellungen am Arbeitsplatz. Königsdorf: Profilingvalues.

Vogel, U. (2018). Profilingvalues: Handbuch. System, Anwendungen und Interpretation des Reports. Santa Cruz de Tenerife: Profilingvalues.