15.04.2021 | Blog 2 |

Empathie – ein entscheidender Soft Skill im Berufsleben

| Bei der Frage nach dem perfekten Match zwischen Unternehmen und Kandidat werden neben den sogenannten Hard Skills (Expertise, Werdegang und Ausbildung) zunehmend auch Soft Skills (kognitives Potential sowie persönliche Präferenzen) immer wichtiger. Dies lässt sich nicht zuletzt an aktuellen Stellenanzeigen ablesen, die vermehrt Kriterien wie Kommunikations- oder Teamfähigkeit in den Vordergrund rücken – also Eigenschaften, welche sich auf die sozialen Kompetenzen und nicht die technischen Fähigkeiten eines Kandidaten beziehen.

Doch ist es dabei nicht viel wichtiger einen Schritt zurückzugehen und sich zu generell fragen, was die Fähigkeiten in diesem Bereich von Vornherein begünstigt?

Während zahlreiche Faktoren für die Ausprägung sozialer Kompetenzen herangezogen werden, unterstreichen zahlreiche Studien, das die Bedeutung der Empathie am Arbeitsplatz in der aktuellen Situation am relevantesten ist. Empathie ist eine unerlässliche Kompetenz hinsichtlich des Wohlbefindens und der Führung von Mitarbeitern sowie existenziell für den Erfolgskurs eines jeden Unternehmens.

 

Was bedeutet Empathie?

Der Begriff der Empathie stammt aus der Psychologie und beschreibt die Fähigkeit und Bereitschaft, sich in das menschliche Gegenüber einzufühlen und dessen Gefühlslage, Ansichten und Situation empfindsam zu verstehen und nachzuempfinden. Sie umfasst Verhaltensweisen als auch mentale Zustände. Zudem bildet Empathie ein entscheidendes Merkmal für prosoziales Verhalten und Effektivität am Arbeitsplatz (Clark et al., 2019). Sie hat also nicht nur einen zwischenmenschlichen, sondern auch einen realen ökonomischen Einfluss.

 

Die verschiedenen Formen der Empathie

Auf wissenschaftlicher Ebene wird zwischen drei Formen der Empathie differenziert, die sich in ihren Wirkweisen unterscheiden. Clark et al. beschreiben Empathie als multidimensionales Konstrukt, dass sich unterscheiden lässt in emotionale, kognitive und verhaltensbezogene Empathie.

 

  • Emotionale / Affektive Empathie

Die emotionale Empathie stellt phylogenetisch – also auf die stammesgeschichtliche Entwicklung des Menschen bezogen – die früheste Form der Empathie dar (Clark et al., 2019). Sie beschreibt die Fähigkeit, sich auf denselben emotionalen Zustand des Gegenübers mitfühlend anzupassen. Emotionale Empathie erfolgt dabei automatisch, instinktiv und Stimulus-getrieben. Zusätzlich basiert sie auf sozial-kognitiven Prozessen, welche sich innerhalb des Gehirns abspielen und unbewusst ein Reiz-Reaktions-Schema befolgen.

Ein konkretes Beispiel liefern Sagi und Hoffmann: Neugeborene Säuglinge, die nur wenige Tage alt sind, neigen dazu, als Reaktion auf das Geschrei eines anderen Säuglings ebenfalls zu schreien. Säuglinge, die diesem Geschrei ausgesetzt waren, weinten signifikant häufiger als diejenigen, die sich in einer stillen Umgebung befanden oder einem synthetischen Geschrei ausgesetzt waren. Empathie verkörpert in diesem Kontext dementsprechend eine affektive, instinktgesteuerte Reaktion auf die Umgebung.

 

  • Kognitive Empathie

Kognitive Empathie bezieht sich auf die Fähigkeit, die innere Gefühlslage seines Gegenübers zu verstehen. In anderen Worten: Sie beschreibt die Fähigkeit, sich in einen anderen Menschen hineinversetzen zu können. Kognitive Empathie entwickelt sich im Vergleich zur emotionalen Empathie in der menschlichen Entwicklung erst später, sobald die grundlegenden kognitiven Fähigkeiten ausgebildet sind. Darunter fällt beispielweise die Auffassungsgabe, sich selbst von anderen zu differenzieren oder die Kompetenz, kognitive Schlussfolgerungen zu ziehen. Das Verständnis der Gefühlslage seines Gegenübers lässt sich auf Basis eines Regelwerkes an eigenen Erfahrungswerten ableiten, welche in gewissen Gehirnarealen aktiviert werden. Kognitive Empathie kann sich aus der gedanklichen Perspektivübernahme oder der Basis an eigenen, persönlichen Erfahrungswerten ergeben.

 

  • Verhaltensbezogene Empathie

Verhaltensbezogene Empathie beschreibt das empathische Verhalten im Sinne der Verhaltensmimik oder der empathischen Kommunikation. Dabei werden Mimik und Gestik, Angewohnheiten, Syntax, Sprachstil oder Gesprächston dem Gegenüber angepasst bzw. nachgeahmt.  Unter empathischer Kommunikation werden zudem paraphrasierende, fragenbezogene und nonverbale Aussagen verzeichnet. So ist zum Beispiel ein einfaches Kopfnicken in einer bestimmten Situation ebenfalls als zustimmendes empathisches Verhalten zu werten, in anderen wiederum kann es als unhöflich oder informell aufgefasst werden. Wichtig bei verhaltensbezogener Empathie ist also der konkrete Kontext, dem das eigene Verhalten angemessen sein muss. Einem Menschen, der sich auch in kritischen Situation stets angemessen verhält, kann eine hohe verhaltensbezogene Empathie zugeschrieben werden.

 

Weshalb Empathie am Arbeitsplatz so wichtig ist

Ganz gleich ob es um die Einstellung von neuem Personal, den Erhalt oder um die Entwicklung von Mitarbeitern geht: Empathie stellt ein entscheidendes Kriterium dar, das direkte Auswirkungen auf die Unternehmenskultur und -erfolg hat. Folgende Zusammenhänge stechen dabei heraus:

 

  • Motivation – Produktivität – Erfolg

Ein Arbeitsumfeld, in der Empathie besonders lebhaft praktiziert wird, steigert die Motivation und Produktivität der Mitarbeiter und ist im Endeffekt förderlich für den Erfolg des Unternehmens. Dies ist vorrangig aufgrund der deutlich verbesserten Beziehungen der Fall. Ein gutes soziales Miteinander am Arbeitsplatz fördert Hilfsbereitschaft und Unterstützung untereinander und stärkt den Zusammenhalt innerhalb eines Teams sowie des gesamten Unternehmens. Dadurch steigen Motivation und Produktivität deutlicher als in Unternehmen, wo Empathie in der Praxis nicht umgesetzt wird.

Gerade auf Managementebene stellt Empathie eine kritische, erforderliche Führungskompetenz dar. Insbesondere gegenüber Angestellten ist empathisches Verhalten zielführend und erfolgssteigernd, da Bedürfnisse der Mitarbeiter erkannt und zufriedenstellende Möglichkeiten oder Problemlösungen konkret angegangen werden können. Dadurch wird das Wohlbefinden erheblich gestärkt.

Des Weiteren verhilft empathisches Verhalten ein besseres Urteilsvermögen über Arbeitsprozesse zu erlangen. Die Bereitschaft, meinen Gegenüber zu verstehen, fördert es stark, Arbeitsabläufe besser zu optimieren und auf den jeweiligen Angestellten effektiver zuzuschneiden. Empathie ist also ein bedeutender Prozess- und Effizienztreiber!

 

  • Zufriedenheit – Dauer der Unternehmenszugehörigkeit

Empathie trägt ebenfalls zur Zufriedenheit und der Verweildauer eines Mitarbeiters bei einem Unternehmen bei. Es ist offensichtlich, dass zufriedene Angestellte innerhalb einer empathischen Umgebung ein verständnisvolleres Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten pflegen und sich auf Grund dessen wohler in ihrem Job fühlen. Dies bestärkt sie, weiterhin in dieser Umgebung zu verweilen. Dadurch, dass die Fluktuation von Personal gebrochen wird, erspart es dem Unternehmen Zeit und Kapazitäten, welche für die Rekrutierung neuer Mitarbeiter anfallen.

Ein weiterer Vorteil lässt sich dahingehend feststellen, als dass auch auf gesundheitlicher Ebene Krankheitszeiträume und allgemeines Fehlen am Arbeitsplatz durch ein empathisches Arbeitsumfeld stark reduziert werden können. So wird dem Ausfall von Mitarbeitern gerade in stressigen Phasen und zu kritischen Zeitpunkten vorgebeugt. Speziell bei in Schlüsselpositionen kann der Ausfall eines wichtigen Mitarbeiters – als Kombination aus gesundheitlicher Belastung und Wechselwunsch – massive Schäden verursachen. Auch hier hat die Empathie also direkten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit eines Mitarbeiters und damit des betreffenden Unternehmens.

 

  • Selbstreflexion – Fehleranalyse

Empathische Fähigkeiten verhelfen einem, sein Arbeitsumfeld besser einzuschätzen und somit künftige Verhaltensweisen besser einzuordnen. Durch die allgemeine Achtsamkeit werden Missverständnisse und Problem Situationen schneller erkannt, reduziert oder sogar vermieden.

Zudem bestärkt empathisches Denken nicht nur die Fähigkeit der Fremdwahrnehmung, sondern auch der Selbstwahrnehmung. Wer sich gut in die Gefühlslage oder Situation Anderer hineinversetzen kann, ist ebenfalls in der Lage, sein Inneres besser zu verstehen. Sind wir uns dessen bewusst, können wir uns besser reflektieren und Stärken wirkungsvoll erkennen.

Auch in puncto Schwächen trägt eine gute Selbstwahrnehmung in Bezug auf Produktivität und Erfolg im Berufsleben dazu bei, sinnvolle Fehleranalysen zu betreiben. Schwächen können nachhaltig vermieden oder gezielt in Stärken umgewandelt werden, ohne dabei in destruktive Selbstkritik zu verfallen.

 

Wie können empathische Fähigkeiten präzise erfasst werden?

Die Empathie ist eine der sechs Dimension, die im wertebasierten Verfahren von Robert S. Hartman, dem Hartman Value Profile, berücksichtigt und konkret analysiert werden. Da es sich um ein relatives Testverfahren ohne direkte Fragestellungen bezüglich einer Dimension handelt, ist es einem Kandidaten unmöglich, die Ergebnisse in seinem Sinne zu manipulieren. Dadurch lassen sich objektive und präzise Ergebnisse über den Kandidaten gewinnen.

Primär geben die Ergebnisse Aufschluss darüber, wie präzise ein Kandidat seine externe Umgebung („Was ist um mich herum?“) sowie sein eigenes Ich („Was geht in mir vor?“) wahrnehmen kann. Dabei geht es stets um eine objektive Trennung zwischen der kognitiven Kompetenz („Wie gut sind gewisse Fähigkeiten ausgeprägt?“) und der jeweiligen persönlichen Präferenz („Möchte der Kandidat seine Fähigkeiten auch einsetzen?“). Hier wird das konkrete Anwendungsfeld im Recruitment besonders deutlich. Denn nur weil man etwas theoretisch gut kann, heißt es noch lange nicht, dass man es tagtäglich auch gerne macht.

Die Beurteilung von Empathie durch das Hartman Value Profile kann entscheidend dazu beitragen, die kritischen Kompetenzen eines Kandidaten wissenschaftlich und objektiv zu erfassen, um ein perfektes Match zwischen Unternehmen und Kandidat zu erreichen.

 

Fazit

Empathie ist ein entscheidender Soft Skill für eine sozial funktionierende und erfolgversprechende Unternehmenskultur. Die psychometrische Wertung von Empathie innerhalb des Hartman Value Profils lässt dabei aussagekräftige Einschätzungen über Denkweise und Wahrnehmung der Umgebung eines Kandidaten zu. Ein hohes Potential im Bereich Empathie bringt nicht nur Vorteile in der Berufswelt mit sich, sondern trainiert und festigt die eigene Wahrnehmung und Selbstreflexion. Zudem eröffnet es die Möglichkeit, Problem Situationen zu erkennen und lösungsorientiert zu handeln. Damit unterstützt es gleichzeitig die Fähigkeit in der Dimension des praktischen Denkens. Diese wird im Rahmen eines weiteren Blogs genauer behandelt.

 

Autorin: Dimitra Sismanidou, April 2021
Copyright: IAM Global GmbH

 

Literatur

Clark, M. A., Robertson, M. M., & Young, S. (2019). “I feel your pain”: A critical review of organizational research on empathy. Journal of Organizational Behavior, 40(2), 166-192.

Sagi, A., & Hoffman, M. L. (1976). Empathic distress in the newborn. Developmental Psychology, 12(2), 175-176.

Vogel, U. (2018). Profilingvalues: Handbuch. System, Anwendungen und Interpretation des Reports. Santa Cruz de Tenerife: Profilingvalues.

Shanahan, J. (2020). Businessolver’s Fifth Annual Report on 2020 State of Workplace Empathy, Businessolver®, https://www.businessolver.com/workplace-empathy-executive-summary (Access: 9th April 2021).

Shanahan, R. (2019). The 2019 State of Workplace Empathy Study: The Competitive Edge Leaders are Missing, Businessolver®, https://blog.businessolver.com/the-2019-state-of-workplace-empathy-study-the-competitive-edge-leaders-are-missing (Access: 9th April 2021).

Gentry, W. A., Weber T. J. & Sari, G. (2016). Empathy in the Workplace: A Tool for Effective Leadership, Center for Creative Leadership®, https://cclinnovation.org/wp-content/uploads/2020/03/empathyintheworkplace.pdf (Access: 9th April 2021).