23.09.2021 | Blog 10 |

Die sechste Dimension des HVP: Zielorientierung

 

Wozu bin ich auf dieser Welt? – „What am I here for in the world?“ (Hartman, 2013). Sich diese Frage zu stellen, wirkt zunächst etwas eigenartig, es kann aber, auch im beruflichen Zusammenhang, sinnvoll sein, sich über den Sinn und die Bedeutung seiner Position bewusst zu werden. An diese Frage setzt die Zielorientierung in der sechsten Dimension des Hartman Value Profile an. Sie erforscht dabei das Selbstkonzept der Kandidat:innen und ergründet wesentliche disziplinierte Verhaltensweisen und Kompetenzen.
Die Zielorientierung ist gerade in der Berufswelt ein wesentlicher Soft Skill, welcher in Führungspositionen nicht fehlen sollte.
In unserem letzten Beitrag zum Hartman Value Profile erläutern wir diese Dimension näher und gehen darauf ein, welchen wesentlichen Unterschied sie zu den allgemeinen Theorien der Zielsetzung nach Locke und Latham und der Zielorientierung nach Dweck et al. hat.

 

Zielorientierung: was steckt dahinter?

Zielorientierung im HVP bedeutet nicht, dass man sich auf gewisse Tages- oder Wochenziele konzentriert. Dies fällt unter die „operative Dimension“ der Erfolgsorientierung und dem Praktischen Denken (Vogel, 2018). Zielorientierung meint eine „Strategie für sich selbst, die zum Auffinden und Erfüllen des persönlichen Lebenskonzeptes dient“ (Vogel, 2008). Die Dimension der Zielorientierung beantwortet dabei Fragen wie: „Wofür bin ich selbst?“, „Wofür lebe ich?“ und „Welches Selbstkonzept / welche Selbststrategie habe ich?“, also Fragen, welche sich mit dem Sinn des eigenen Lebens befassen (Vogel, 2008).

Hohe Werte in dieser Dimension deuten auf hohe Entschlossenheit, Entscheidungsfähigkeit, feste Selbstideale und hohe Maßstäbe wie z.B. diszipliniertes Verhalten, Ambition und Ehrgeiz (Vogel, 2018). Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Konsequenz und Hartnäckigkeit können ebenfalls interpretiert werden. Solche Fähigkeiten strahlen Führungskompetenz aus und sind gerade in höheren Positionen essentiell (Vogel, 2011).

Niedrige Werte bei Kandidat:innen zeugen von Unentschlossenheit, Zögern und Planlosigkeit. Dies trifft meistens auf solche Menschen zu, die bereits das Gefühl haben vieles erreicht zu haben oder auf Personen, die sich in ihrer Funktion nicht mehr gebraucht fühlen. Menschen mit niedrigen Werten in dieser Dimension fällt es zudem schwer sich an kurzfristige Veränderungen im Umfeld oder in ihrer Funktion zu gewöhnen (Vogel, 2018).

 

„What am I here for in the world?“ 

Zielorientierung befasst sich wie bereits erwähnt nicht mit konkreten Tages- oder Wochenzielen, sondern mit der Frage nach dem Sinn der Rolle bzw. Funktion, welche man im Berufsleben ausführt. Robert S. Hartman stellte sich in dieser Hinsicht die Frage: “What am I here for in the world?”. Während er hierzu eine sehr philosophische Ansicht hatte – “I’m here to define and give meaning to myself” (Hartman, 2013) – können übliche Antworten im Berufskontext eher lauten: Karriere zu machen, erfolgreich im Job zu sein oder viel Geld zu verdienen.
Geld und Erfolg sind zwar berechtigte Ziele im Job, können einem Individuum dauerhaft aber nicht das geben, was intrinsische Ziele können. Denn solche Ziele sind extrinsisch und daher vom Individuum nicht gänzlich regulierbar.
Sich zu fragen, aus welchem bestimmten Grund man die entsprechende Position innehat, kann nur von Vorteil sein, sein eigenes Selbstkonzept bzw. Selbstbild zu erforschen. 

 

Wie definieren gängige Theorien „Zielorientierung“?

In der Literatur wird zwischen den beiden Theorien der Zielsetzung (“goal setting theory”) und der Zielorientierung (“goal orientation theory”) unterschieden (Seijts et al., 2004). Während sich die Zielorientierung auf Kompetenzen bezieht, setzt sich die Forschung der Zielsetzung mit der Motivation auseinander.

Locke und Latham behaupten in ihrer Zielsetzungstheorie, dass spezifische und anspruchsvolle Ziele eher zu einer gesteigerten Leistung führen als einfache und unspezifische Zielsetzungen wie z.B. „Geben Sie Ihr Bestes“ (Lock & Latham (1990) zitiert nach Seijts et al, 2004). Um die Zielschwierigkeit zu bewältigen und Leistung zu motivieren, stellen Locke und Latham gewisse Kriterien auf, welche zu berücksichtigen sind. Hierzu zählen: Fähigkeiten, regelmäßiges Feedback, Komplexität der Aufgabe und situative Einschränkungen (Seijts et al, 2004).

Nach Dweck et al. konzentriert sich die Zielorientierung auf den Erwerb von Wissen und Fähigkeiten (Dweck & Leggett (1988); Elliott & Dweck (1988) zitiert nach Seijts et al, 2004). Dabei unterscheiden Dweck et al. zwischen zwei Arten von Zielorientierung: Leistungsorientierung (“performance orientation”) und Lernorientierung (“learning orientation”).
Personen, die leistungsorientiert agieren, konzentrieren sich auf das Endresultat und auf die Folgen einer Aufgabe (Seijts et al, 2004). Dies kann jedoch negative Konsequenzen mit sich führen: Die Angst vor Misserfolg oder schlechter Leistung ist hierbei präsent. Leistungsorientierte Personen verfolgen dabei das Ziel, ihre Kompetenzen durch Aufgaben zu präsentieren, anstatt vielmehr aus der Aufgabe etwas Neues zu erlernen (Seijts et al, 2004).
Anders sieht es bei Personen aus, welche eine Lernorientierung vor Augen haben. Solche Personen wählen herausfordernde Aufgaben, um ihre Kompetenzen weiterzuentwickeln (Seijts et al, 2004). Selbsteffizienz und Lernerfolg stehen hier gänzlich im Fokus. Wie die beiden Theorien zusammenwirken, verdeutlicht vor allem die Selbsteffizienz (Seijts et al, 2004). Diese ist für die Zielsetzungstheorie von wesentlicher Bedeutung, da ein gesteigertes Gefühl von Selbsteffizienz ein stärkeres Engagement für zugewiesene Aufgaben freisetzt und Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit positiver mit negativem Feedback umgehen (Seijts et al, 2004).

 

Fazit

Die Zielorientierung des Hartman Value Profiles befasst sich im Gegensatz zur Zielorientierungstheorie von Dweck et al. mit dem Sinn des eigenen Lebens und im beruflichen Zusammenhang mit dem Sinn der eigenen Position. Für Robert S. Hartman war der Gedanke, sich selbst über seine eigene Bedeutung bewusst zu sein, wesentlich. Ein eigenes Lebenskonzept mit konkreten Zielen hat nämlich viel mit der eigenen Bedeutung zu tun. Ein solches Konzept entscheidet wo, warum und wie viel Energie bzw. Leistung Menschen investieren.

Die Zielorientierung in der allgemeinen Psychologie hingegen fokussiert sich auf die Motivation und die erworbenen Fähigkeiten innerhalb anspruchsvoller Aufgaben. Motivation und Fähigkeiten werden im HVP in den Dimensionen Erfolgsorientierung und Praktischen Denken einbezogen.

 

 

Autorin: Dimitra Sismanidou, September 2021
Copyright: IAM Global GmbH

 

Literatur


Hartman, R. S. (2013). 
Freedom to Live: The Robert Hartman Story. USA: WIPF & STOCK PUBL.

Seijts, G. H., Latham, G. P., Tasa K. & Latham, B. T. (2004). Goal setting and goal orientation: An integration of two different yet related literatures. Academy of Management Journal, 47 (2), 227-239.

Vogel, U. (2018). Profilingvalues: Handbuch. System, Anwendungen und Interpretation des Reports. Santa Cruz de Tenerife: Profilingvalues.

Vogel, U. (2011). Profiling-Studie: Herrschende Werte und Einstellungen am Arbeitsplatz.  Barcelona: Profilingvalues.